Gerade bin ich von einer Reise ans Meer zurückgekehrt. Das Meer ist sozusagen meine Heimat. Der Ort, wo ich entsprungen bin, vor Millionen von Jahren. Vielleicht fühle ich mich deshalb immer so magisch angezogen und ich muss immer wieder dahin zurückkehren, um mich an seinem Ufer nieder zu lassen und in die Weiten des Ozeans zu schauen. Und natürlich muss ich mich in die Fluten zu stürzen, im Wasser versinken. Mich darin verlieren, sinnieren, träumen und mich ganz klein fühlen. Die Relationen wieder spüren und mir bewusst werden, welcher Wimpernschlag mein Dasein ist, im Vergleich zu diesem unglaublich grossen, mächtigen Meer.
Dieses Mal fiel mir noch etwas anderes auf: der Strand war übersät mit Steinen. Grosse, kleine, ziemlich heftig picksende Steine, die sich mit ihren Kanten und Ecken in meine Fusssohlen gruben und mich jedes mal, wenn ich darüber ging, aussehen liessen wie eine hinkende und schwankende Ballerina, die mit Gummistiefeln über ein Hochseil balanciert. Es war nicht Sand, es waren Steine. Und bei jeder Welle, schabten die Steine mit dem Wasser hoch und wieder runter. Dabei entstand ein wunderbares Geräusch, das ich noch nie gehört hatte: das Singen der Steine im Wellenbad des Ozeans.
Es gibt so viele Steine, dachte ich, fast wie Sand am Meer. Aber wie unterscheiden sich diese Steine voneinander? Welchen Stein soll ich aufheben, welchen liegenlassen? Ich grübelte und sinnierte. Gibt es so viele Steine wie Menschen? Welche der Steine sind Coachs oder Treuhänder oder Steuerberater oder Designer? Und wie unterscheiden sie sich?
Da fiel mir die Geschichte von Barbara ein. Ein Coach, der Menschen durch Herausforderungen im Leben begleitet. Ein Coach, von denen es so viele gibt, wie Steine am Meer. Hier ist ihre Geschichte:
„Ich war auf dem besten Weg, die Karriereleiter höher und höher zu steigen. Ich hatte gute Ausbildungen, machte immer wieder die wichtigen Weiterbildungen und hatte den besten Job, den man sich denken konnte. Es machte mir Spass, doch die Verantwortung war gross, der Stress noch viel grösser. Doch ich spürte, dass es stimmig war, dass ich das alles schaffen würde. Und so machte ich weiter und weiter. Schliesslich war ich sehr gut bezahlt und ich hatte ein schickes Geschäftsauto, Spesen, machte Reisen in andere Länder und wohnte in den besten Hotels.
Ich stieg höher und höher und mein Schwindel nahm zu. Alles hatte ich, was ich mir wünschte. Leisten konnte ich mir alles, was ich wollte. Wurde der Stress zu gross, gönnte ich mir eine neue, edle Desingerhandtasche oder ging in ein teures Restaurant essen. Die Wohnung war gross und schick eingerichtet, obwohl ich ausser zum Schlafen kaum zu Hause war. Den Urlaub verbrachte ich an den besten und teuersten Orten, obwohl ich nie glücklich war. Ich entschädigte mich für etwas, wovon ich dachte, dass es gut sei so. Bis ich eines Tages in ein grosses, schwarzes Loch fiel. Unvermittelt und tief. Plötzlich war alles weg. Die Lust, zu arbeiten. Der Wille, mich zusammen zu reissen und weiter zu machen. Ich war müde, erschöpft und frustriert und langsam dämmerte mir, dass ich ein Leben führte, das ich so nicht wollte. Dass ich nur noch für das Geld arbeitete und mich und mein Leben verschenkte: an einen Beruf und Titel, an eine Hierarchiestufe und Position und an ein hohes Gehalt. Mir fehlten Sinn und Freude und das Loch wurde noch tiefer. Das schwarze Loch nannte sich Burn-out, es war heftig. Lange lag ich auf dem Grund des Lochs. Wusste weder ein noch aus. Doch dann trat ein Coach in mein Leben, ein unglaublicher Mensch, der anfing, mir Fragen zu stellen. Der mir zur Seite stand, während ich den Weg aus dem Loch suchte. Und zum ersten Mal in meinem Leben hinterfragte ich mich selbst, meine Situation, mein Leben. Ich suchte nach Antworten. Und ich wusste, so will ich nicht weitermachen. Die Suche nach meinem Sinn in der beruflichen Tätigkeit hatte begonnen. Die Suche dauerte, die Antworten lagen nicht sofort auf der Hand, doch nach vielen Monaten wurde mir klar, was mein Sinn war:
Menschen eine Perspektive geben, eine Sinnhaftigkeit im Beruf, ohne zuerst in ein schwarzes Loch zu stürzen. Und so beschloss ich, ein Coach zu werden. Ein ebenso guter Coach, wie meiner es für mich gewesen war. Seither begleite ich Menschen auf einem Teil ihres Lebens- und Berufsweg und fühle mich berufen und neu geboren.“
Diese Geschichte blieb in meiner Erinnerung, denn sie hatte mich zutiefst berührt. Ein Mensch, der mutig preisgibt, was ihm im Leben widerfahren ist. Der von Scheitern und Wiederaufstehen erzählt und wie er die Berufung fand. Mich haben der Mut und die Geschichte imponiert. Barbara ist für mich der Coach, der sich von all den anderen unterscheidet. Ein Coach, der weiss, um was es geht, denn sie ging selbst durch dieses Loch. Sie weiss daher genau, wie es ihren Klienten geht. Für mich ist sie der Coach, der gegen schwarze Löcher kämpft. Kein Coach wie Steine am Meer. Ein Coach, der hervorsticht. Ein Coach, der sich unterscheidet, weil sie ihre Unternehmens- und Nutzengeschichte erzählt. Für mich ist sie nicht wie die vielen Steine am Meer.